Als Kwakiutl wurde ab etwa 1849 eine Gruppe von Indianerstämmen im Norden von Vancouver Island bezeichnet, zu denen die Walas Kwakiutl (Lakwilala), Kwakiutl (Kwágu7lh), Komkiutis und die Kweeha (Komoyoi) gehörten. Sie wurden auch als Fort Rupert Indians bezeichnet.
Die heutige Kwakiutl First Nation gehört zu den nördlichen Kwakwaka'wakw. Der Name bedeutet „Rauch der Welt“. Sie sprechen Kwak'wala, einen Zweig der Wakash-Sprachfamilie. Allerdings beherrschen diese Sprache nur noch 200 Menschen, also rund 4 %.
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Die Bezeichnung Kwakwaka'wakw umfasste 23 bis 27 durch Sprache und Kultur verbundene Gruppen, die je einen Häuptling hatten. Sie waren zwar eng verwandt, doch sprach man fünf Dialekte. Man schätzt ihre Zahl auf über 19.000, doch fiel sie bis 1924 auf 1.039.1 Die Bezeichnung „Kwakiutl“ wurde lange Zeit auf alle 12 überlebenden Kwakwaka'wakw-Gruppen übertragen.
Die Kwakiutl führen ihre Ahnen auf Sonne, Grizzlybär, Seemöwe und Donnervogel zurück, wenn dieser Mythos auch in Konkurrenz zu Schöpfergeschichten der Nachbarstämme steht, die bei den Kwakiutl erzählerische Spuren hinterlassen haben.
Nicht weit vom Gebiet der Kwakiutl entfernt liegt die Bear Cove, wo die ältesten archäologischen Funde auf Vancouver Island gemacht wurden. Muschelhügel, inzwischen wichtige Überreste aus der Frühgeschichte, sind bis in die 50er Jahre bedenkenlos zu anderen Zwecken umgenutzt worden, wie z.B. während des Zweiten Weltkriegs. So wurde der shell midden bei Fort Rupert zum Ausbau des Flughafens von Port Hardy benutzt, ein Berg von 3000 m Länge, 600 m Breite und 15 bis 20 m Höhe. Überreste von Häusern und einige Petroglyphen zählen zu den wenigen archäologischen Artefakten, die allerdings noch einer Dokumentation harren.
Der Stamm unterteilte sich in ‘na’mima, was so viel wie von einer Art bedeutet. Ihre Angehörigen hießen ‘na‘mimut . Innerhalb dieser Gruppen bestand eine Hierarchie von Oberhäuptlingen, die sich auf die Ahnen zurückführten, dann unterstellten Häuptlingen sowie einfachen Stammesangehörigen und ihren Familien. Jedes ‘na’mima hatte wiederum einen gewissen Rang innerhalb des Stammes.
Unter Kwakiutl wurden wiederum vier Stämme zusammengefasst, die Kwakiutl, die K’umk’utis, die Kwixa und die Walas Kwakiutl. Diese Aufspaltung geht wohl auf einen Machtkampf zurück, daher galten die Kwaixa als „Mörder“, ihre Gegner, die Kwixamut waren die Anhänger des Kwixa. Die Kwakiutl waren die Gweetala oder nördlichen Leute, und die Kwixa waren die „reichen Leute“. Die K’umk’utis stammten von Robson Bight und wurden Tlitlekit genannt. Sie vermischten sich 1885 mit den Walas Kwakiutl, den früheren Lakwi’lala.
Vor 1849 lebten die Kwakiutl in Kalugwis. Sie informierten Mitarbeiter der Hudson’s Bay Company im Jahr 1835 über Kohlevorkommen bei Suquash, 14 km südöstlich vom späteren Fort Rupert. 1836 steuerte das Schiff Beaver die Region an, doch die „Quaquills“, also die Kwagu’l wollten die Kohle selbst abbauen. Einige Jahre lang versorgten die Kwagu'l daher die Gesellschaft mit Kohle. Doch der Bedarf an diesem Rohstoff nahm durch die steigende Bevölkerung und vor allem durch die motorisierte Seefahrt schnell zu, so dass die amerikanische Firma Howland & Aspinall mit der britischen Hudson’s Bay Company in Verhandlungen um Kohlelieferungen von Vancouver Island trat.
Die Gesellschaft, die schon längst den Weg von einer Pelzhandelsgesellschaft zu einer umfassenden Produktions- und Handelsgesellschaft eingeschlagen hatte, war bereit zu investieren. 1849 errichtete sie zum Schutz einer Kohlemine Fort Rupert neben Tsaxis, einem alten Dorf. Die Kwakiutl zogen überwiegend dorthin und die Lawit’sis lebten in ihrem alten Dorf. Das Fort war die erste dauerhafte Einrichtung im Gebiet der Kwakwaka'wakw, doch die Kwakiutl beanspruchten die Kohle selbst und eroberten das Dorf zurück. So erzwangen sie am 8. Februar 1851 einen Vertrag mit der Gesellschaft. Damit sind Kwixa und Kwakiutl die einzigen Stämme der Kwakwaka'wakw, die einen der so genannten Douglas-Verträge unterzeichnet haben. Damit werden Verträge bezeichnet, die mit dem Gouverneur James Douglas abgeschlossen wurden. Sie erhielten acht Reservate um Beaver Harbour und an den Mündungen des Keogh River und des Cluxewe River. Ein größeres Waldgebiet auf Malcolm Island gehörte ebenfalls dazu.
Doch im Dezember 1865 erschien die HMS Clio vor dem Dorf und ließ es völlig zerstören. Obwohl die Kwakiutl schwere Verluste hinnehmen mussten - dazu zählten 70 Kanus2 -, bauten sie in kurzer Zeit wieder 26 Häuser vor Fort Rupert auf. Dieses Dorf sollte bis um 1900 der zentrale Kultort, berühmt für seine Potlatches, werden, bis es von 'Yalis (Alert Bay) im Gebiet der 'Namgis verdrängt wurde.
Epidemien, vor allem Pocken, dezimierten die Zahl der Kwakiutl bis 1881 auf 175. 1906 wurden sogar nur noch 104 gezählt. Bereits 1850 und 1851 hatte die britische Seemacht Dörfer der Nahwitti zerstört, eines benachbarten Stammes.
1881 richtete Kanada die Kwawkewlth Indian Agency ein. Im selben Jahr kamen die ersten Völkerkundler zu den Kwakiutl und ihren Nachbarn. 1886 kam Franz Boas zu ihnen. Er besuchte auch die Nahwitti, deren Reste sich später den Kwakiutl anschlossen.
Mit dem Fischereigesetz von 1888 schränkte die Regierung die Fischereirechte der Indianer drastisch ein. In krassem Gegensatz zur öffentlichen Begeisterung für die Kultur, die beispielsweise auf der Chicagoer Weltausstellung von 1893 erkennbar wurde, setzte die Regierung ihre kulturfeindliche Politik fort. Zugleich zogen die Museen gewaltige Mengen von kunsthandwerklichen Gegenständen an sich, vor allem zahllose Masken. Mittelsmann war George Hunt (1854-1933), Sohn eines Pelzhändlers aus Fort Rupert, der die Sprache verstand und mit einer Tlingitfrau verheiratet war. Ihm folgten Mittelsmänner von den Stämmen selbst, wie Charles James Nowell (1870 - 1956) von den 'Namgis. Nach dem Tod seiner ersten Frau Lucy Homikanis von Hope Island 1908 heiratete er eine Frau aus dem Stamm der 'Nakwaxda'xw namens Tsukwani (Francine). Ob ihnen bewusst war, wie sehr sie zur Zerstörung ihrer Kulturen beitrugen, ist unklar.
1914 fertigte Edward Curtis zahlreiche Fotos und Filme von den Kwakiutl und ihren Nachbarn, die er publizierte (In the Land of the Head Hunters, 1915). Mit seinem romantischen Blick auf die Indianer, die er als Relikte steinzeitlichen Lebens betrachtete, hat er auf Jahrzehnte die Einstellung der weißen Umgebung mitgeprägt3 - und den Plünderern ihrer kulturellen Güter zugleich eine entscheidende Rechtfertigung geliefert.
1881 transferierte die Church Missionary Society of London ihre Mission von Fort Rupert nach 'Yalis und die Kwawkewlth Indian Agency folgte 1896. Tsaxis verlor immer mehr an Bedeutung, zumal 1900 ein Feuer zahlreiche Häuser zerstörte.
Die Politik Kanadas richtete sich zunehmend gegen alle kulturellen Äußerungen seiner Ureinwohner. So wurde nicht nur die Ausübung des Potlatch untersagt, sondern alle Kinder mussten in die Residential Schools gehen, die für die Kwakiutl die St. Michael's Residential School in Alert Bay war. In diesen internatartigen Schulen wurde bei schweren Strafen darauf gedrungen, dass die Kinder ihre Sprache nicht benutzten sondern ausschließlich Englisch sprachen. So sollte nicht nur ihre kulturelle Bindung zerstört werden, sondern sie sollten in der Masse der Kanadier aufgehen. Infolge dieser Politik der erzwungenen Assimilation entstand zudem die Situation, dass die Kwak'wala-Sprecher häufig nicht schreiben konnten und die Englisch-Sprecher nicht mehr ihre Muttersprache beherrschten. Die Verständigung zwischen den Generationen war ungemein erschwert, zumal ihre Kultur mit allen pädagogischen Mitteln der Zeit entwertet wurde.
In dieser Situation brachte Tsaxis eine der einflussreichsten Künstlernaturen hervor, die maßgeblich zur Renaissance der Schnitzkunst wie der gesamten pazifischen Indianerkultur beitrug: Mungo Martin (1879 - 1962), der als Carver of the Century bezeichnet wurde, als Bildschnitzer des Jahrhunderts. Er war erblicher Häuptling der Kwakiutl. Bis 1947 arbeitete er in seinem Heimatdorf, zog dann nach Vancouver, schließlich 1952 in die Provinzhauptstadt Victoria, wo er die bis heute berühmten Pfähle vor dem Royal British Columbia Museum hinterließ. Doch nicht nur als bildender Künstler war er von enormem Einfluss. Er hinterließ 400 Lieder aus dem gewaltigen Bestand seines Stammes und seiner Familie, dazu zahlreiche Geschichten. Sein Vater war Kwicksutaineuk, seine Frau entstammte der Hunt-Familie aus Tsaxis. Seine zweite Frau, Abayah (Sarah Smith), wurde von Curtis fotografiert.4
Nach der Aufhebung des Verbots des Potlatch im Jahr 1951 feierte er in Victoria ein erstes öffentliches Potlatch. Doch parallel dazu hatte die Holzindustrie keine Bäume mehr übrig gelassen, die für Totempfähle alt und hoch genug waren.
Auf Wazilus (Deer Island) wurden 1986 erstmals Blockaden durch die Kwakiutl gegen die Holzgesellschaft MacMillan Bloedel durchgeführt. Der Widerstand wurde von Coreen Wilson und Dave Jacobson, beide Kwakiutl aus Tsaxis, angeführt - mit Erfolg. Ein ähnlicher Konflikt erstreckt sich seit Jahren mit Pan Fish, einem Fischzüchter, dem die Kwakiutl vorwerfen, sie um Ertragsanteile zu bringen und die ökologische Umgebung zu schädigen, insbesondere den Wildlachs.
Auch konnten die Kwakiutl nicht verhindern, dass direkt an der Bear Cove, dem Fundort der ältesten Artefakte, ein Fähranleger an der Hardy Bay gebaut wurde.
Doch die Revitalisierungsbemühungen schritten voran. 1988 begannen die Bauarbeiten an einem großen Versammlungshaus, dem Gukwdzi, 1991 folgte ein Band Office, U’gwamalis genannt, 1999 ein so genanntes day care centre, das 2000 seine Pforten öffnete. Dort werden Kulturveranstaltungen durchgeführt und warme Mahlzeiten ausgegeben. Seit einigen Jahren wird die Sprache wieder unterrichtet, es finden sich inzwischen sogar Sprachkurse im Internet.5
Rupert Wilson war lange der Häuptling der Kwakiutl, ihm folgte Coreen Wilson. Im Juni 2006 erhob Rupert Wilson Anklage gegen die Methoden des Raubbaus an der Natur und des Betrugs an den Indianern.6
Der Stamm bemüht sich seit Jahren, die natürliche Umgebung wieder herzustellen und hat 2007 das Cluxewe Riparian Project am Cluxewe River abgeschlossen. Ebenso ist es nach drei Jahren gelungen, die Wasserqualität im Beaver Harbour so weit wieder herzustellen, dass die Fischerei wieder erlaubt werden konnte. Dennoch muss ein Teil der Meerestiere einem aufwendigen Reinigungsprozess unterzogen werden, bevor sie zum Verzehr freigegeben werden dürfen.
Anfang 1997 traten die Kwakiutl in den so genannten British Columbia Treaty Process ein, einen sechsstufigen Vertragsprozess. Dieser begann mit der Übergabe einer Karte der traditionellen Gebiete und einer Absichtserklärung. In der zweiten Stufe werden Verhandlungsteams bestimmt, die strittigen Punkte formuliert. In Stufe 3 wird ein Zeitplan festgelegt, die genauen Inhalte fixiert. In der nächsten Stufe sollte es zu einer Art Grundvertrag kommen, auf dessen Basis auf der letzten und sechsten Stufe der Vertrag abgeschlossen werden soll. Er muss dann nur noch ratifiziert und umgesetzt werden.7
Ende 2003 traten die Kwakiutl jedoch von den Verhandlungen mit British Columbia und Kanada in Phase 4 zurück. Sie verließen vorläufig die Winalagalis Treaty Group. Offenbar gibt es Auseinandersetzungen über die Rolle der Kwakiutl, die es vorziehen, auf staatliche Alimentationen zu verzichten, um die Bestimmungen aus dem Douglas-Vertrag durchzusetzen. Die Nachbarstämme sind bisher ohne jede vertragliche Abmachung.
Heute besitzen die Kwakiutl - auf der Basis des Douglas-Vertrags - acht bzw. zehn Reservate mit knapp 468 ha Fläche im Rupert District. Das mit Abstand größte ist Malcolm Island 8 (196 ha) das auf der gleichnamigen Insel zwischen der Queen Charlotte Strait und Broughton liegt. 38 km östlich von Sointula liegt Walden 9 (101,9 ha), die nächstgrößeren sind Wazulis 14 (67,9 ha) und Klickseewy 7 (54, ha). An der Südseite des Beaver Harbour liegt Fort Rupert 1 (4,1 ha), wo sich im Hafengebiet auch Kippase 2 (13,8 ha), das winzige Shell Island 3 (0,3 ha) sowie Thomas Point 5 und 5a (17,8 und 9,4 ha) befinden, die am Osteingang des Hafens liegen. An der Mündung des Keogh River findet sich Keogh 6 (1,8 ha). Die meisten Kwakiutl leben in Kippase 2.
Von den 669 Stammesangehörigen lebten im Dezember 2007 genau 290 im eigenen, weitere 23 in anderen Reservaten, dazu kamen 355 Angehörige, die außerhalb von Reservaten lebten, sowie einer, der auf keinem Band Crown Land lebte. Im März 2011 waren genau 700 Menschen als Angehörige der Kwakiutl anerkannt. Von diesen lebten 296 im eigenen Reservat, 26 in einem anderen, 377 außerhalb der Reservate.8
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