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Hans-Jürgen Hübner:

Archive

Version 1.31 (25. Juni 2011)
Kanadas Archive und ihre Findmittel. Bitte klicken Sie in die Karte, um zur zentralen Website der jeweiligen Provinz bzw. des jeweiligen Territoriums zu gelangen.
Nunavut Nordwest-Territorien Yukon British Columbia Alberta Saskatchewan Manitoba Ontario Québec Neufundland und Labrador Neubraunschweig Prince Edward Island Neuschottland

Wie überall in der Welt besteht die Aufgabe der kanadischen Archive darin, Dokumente, die als historisch bedeutsam eingeschätzt werden, zu sammeln, zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei handelt es sich überwiegend um schriftliche oder Bildquellen, aber auch um Ton- und Filmaufnahmen, sowie digitale Daten verschiedenster Form. Hauptarchiv sind die National Archives of Canada in Ottawa, dazu kommen die Provinz-Hauptarchive, kommunale Archive, aber auch solche in Bibliotheken, Klöstern, Museen, Musikorganisationen usw.

Die Archivalien umfassen neben den traditionellen Formen wie staatlichen Entscheidungen, Gesetzen, Debatten, Briefen, Berichten, die üblicherweise auf Papier vorliegen, Mikrofilme, Fotografien und Daguerreotypien, Zeichnungen, Karten, Filme, Tonaufnahmen, computerlesbre Dateien, Disketten, CDs und DVDs und ganze Websites. Diese enorme inhaltliche und technische Bandbreite macht die Verwaltung der Archivalien zu einer technisch aufwändigen und von der Erschließungs- und Erhaltungsseite her äußerst komplexen Aufgabe. Dabei ist die Zusammenarbeit mit den Archivaren derjenigen Institutionen, aus denen ständig neue Archivalien an die dauerhaft aufbewahrenden Archive gehen, von großer Bedeutung, denn die Entscheidung, was auf Dauer konserviert werden soll, muss im Rahmen dieser Kooperation getroffen werden. Allerdings führen nur größere Regierungsstellen, Institutionen und Gesellschaften oder Unternehmen eigene Archive. Die meisten Unternehmen etwa leiten ihre Bestände an Lokalarchive weiter, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Hinzu kommen die Hinterlassenschaften von Einzelpersonen oder Familien, die in Kanada wie alle anderen Bestände behandelt werden. Alle Sammlungen werden nach dem Provenienzprinzip aufbewahrt, d. h. sie werden entsprechend dem Vorbesitzer als geschlossener Fonds in die Bestände eingefügt, so dass die Dokumente entsprechend der vormaligen Ordnung beieinander bleiben. Dies reflektiert am besten die Entstehung des einzelnen Fonds. Wie alle Bestände werden sie über Inventare, Indices und Findbücher zugänglich gemacht. Die Vorgehensweise, wie solche Bestände beschrieben werden, finden sich in den Canadian Rules for Archival Description. Dies und weitere Findmittel lassen sich im Canadian Archival Information Network einsehen.

Inhalt

Geschichte

Die früheste Aufgabe von Archiven bestand in der Aufbewahrung von Dokumenten, die Rechte dokumentierten. Daher wurden die noch rechtsgültigen Dokumente aufbewahrt, um im Fall von Rechtsstreitigkeiten zum Einsatz zu kommen. Nur ein Bruchteil der Archivalien erfüllt noch diese Aufgabe, denn es sind ja gerade abgelegte Dokumente, die im juristischen Umfeld keine Rolle mehr spielen und daher an die Archive abgegeben werden können, die die Hauptmasse der Archivalien darstellen. Je mehr Beteiligung von Institutionen und Bürgern als für das Gemeinwesen positiv erachtet wurde, desto mehr erhielten die Bestände eine neue Bedeutung.

Die spezifisch kanadische Archivtradition entwickelte sich aus dieser doppelten Verantwortung, nämlich als Mittel der Verwaltung und Rechtsfindung einerseits und als Kulturgut und Mittel, auf die Gesellschaft durch Verbreitung von historischen Kenntnissen einzuwirken. Schon 1724 schlug man in Neufrankreich die Ernennung eines Archivars vor, der Intendant Gilles Hocquart schlug 1731 die Errichtung eines Archivs vor. Als die Briten 1763 die Herrschaft über das ehemals französische Gebiet übernahmen, stellte sich bald die Frage, was mit deren archivalischen Hinterlassenschaften geschehen sollte. 1790 beschloss die Gesetzgebende Versammlung von Québec, dass diese Dokumente besser konserviert und leichter und billiger zugänglich gemacht werden sollten. Mit der Unabhängigkeit Kanadas ab 1867 wurde Henry J. Morgan von 1875 bis 1883 der erste Keeper of the Records, was seine bewahrende Funktion betonte. Ihm folgte Alphonse Audet, der das Amt bis 1904 versah.

Die Literary and Historical Society of Quebec entstand 1824 mit dem Ziel der Suche und Publikation; sie wurde ab 1832 erstmals von der Gesetzgebenden Versammlung Niederkanadas unterstützt. Ihre Angehörigen mussten vielfach in die Kolonialmetropolen reisen, um etwa Akten in London oder Paris, oder auch Albany im Staat New York einzusehen. Ab den 1850er Jahren verfolgte die Library of Parliament ähnliche Ziele. Sie sammelte etwa Bestände aus Oberkanada, wie zur Ansiedlung der Loyalisten nach der Unabhängigkeit der USA, oder aus dem Krieg von 1812-14/15. Joseph Howe wurde 1857 Records Commissioner. Die literarisch-historische Gesellschaft von Quebec forderte 1871 die Einrichtung eines Archivs zur Unterstützung von Autoren und Literaten. Im Juni 1872 reagierte die Regierung darauf, indem sie im Department of Agriculture, als im Landwirtschaftsministerium eine Abteilung einrichtete. Der Journalist Douglas Brymner wurde der erste Dominion Archivist. Er blieb bis 1902 im Amt. Er erweiterte den Blickwinkel des Archivs auf alles, was soziale, wirtschaftliche, städtische und politische Geschichte berühren konnte. Er stellte aus dem Kriegsministerium umfangreiche Bestände zusammen, kaufte Pamphlete und Zeitungen. Er ließ Dokumente aus dem britischen Colonial Office, dem British Museum, dem Public Record Office transkribieren, und tat dies auch in Frankreich, etwa im Nationalarchiv. Jährlich gab er einen Bericht über diese Aktivitäten heraus.

Entsprechend den Empfehlungen einer interministeriellen Kommission wurden 1903 der Records Branch of the Department of the Secretary of State und der Archives Branch of the Department of Agriculture zusammengelegt. Dementsprechend wurde 1904 Arthur G. Doughty sowohl Dominion Archivsit als auch Keeper of the Records. Er leitete das Riesenunternehmen 31 Jahre lang. 1912 wurde es in Public Archives of Canada umbenannt, ein Name, den es bis 1987 führte. Von da an hieß es National Archives of Canada. Ein brandsicheres Gebäude wurde 1906 errichtet, 1926 erweitert. Die Abschriften aus europäischen Archiven wurden systematisiert, weitere Archive wurden aufgesucht. Auch Privatpersonen wurden angeschrieben und um Unterstützung gebeten. Es entstanden Dépendancen in Montréal, Québec, Trois-Rivières, Saint John, Halifax und Winnipeg. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war ein eigenes Gebäude für die Regierungsdokumente geplant, doch wurde der Bau wegen des Krieges aufgeschoben. Er sollte sich bis in die 50er Jahre verzögern.

Während sich die Historikerzunft zunehmend professionaliisierte, wurde ihr Beitrag zur Archivierung immer bedeutender. So entstand 1907 die Historical Manuscripts Commission, die für die Editionen verantwortlich war. 1913 bis 1917 entstand die 23-bändige Reihe Canada and its Provinces, von 1911 bis 1920 wurden Stipendien an fortgeschrittene Geschichtsstudenten vergeben, die Originaldokumente einsehen wollten. Daran schloss sich ein regelmäßiger Graduiertenkurs an, der im Archiv abgehalten wurde. Für viele Historiker, die zum Teil in weit abgelegenen Gebieten unterrichteten, war dies der einzige Anknüpfungspunkt an die nationale, gelegentlich internationale Wissenschaftselite. Hier wurden Ideen ausgetauscht, man schaute ab, was die anderen Hochschulen unternahmen, plante Publikationen. 1935 trat Doughty zurück; er verstarb bereits im nächsten Jahr.

Ihm folgte Gustave Lanctôt. Er integrierte Filme und Tonaufnahmen ins Archiv und konzentrierte sich auf Archivalien, die nach 1867 entstanden waren. Den eigentlichen Modernisierungsschub löste aber erst W. Kaye Lamb aus, der Lanctôt folgte. Entsprechend den Empfehlungen der Massey-Levesque Commission von 1951 gab er dem Archiv eine moderne Verwaltung und er öffnete das Haus stärker der allgemeinen Öffentlichkeit. 1956 eröffnete das Federal Record Centre in Ottawa, dem regionale Zentren folgten. Lamb und seinem Nachfolger Wilfred I. Smith stand ein wachsender Stab an Mitarbeitern zur Verfügung. Anlässlich der Hundertjahrfeier Kanadas im Jahr 1967 entstand ein Gebäude, das sich das Staatsarchiv mit der National Library of Canada, der Nationalbibliothek teilte. Frühere unsystematische versuche mündeten in Abteilungen, wie die National Map Collection, die National Photography Collection, die National Film, Television and Sound Archives, in Architektur-, Bild-, ethno-kulturelle Archive und zugehörige Konservierungsabteilungen.

1987 wurden durch ein Gesetz, den National Archives of Canada Act der Name des Archivs geändert. Jean-Pierre Wallot, Nationalarchivar von 1985 bis 1999 unternahm Versuche mit neuen Technologien. Schon seit den 50er Jahren waren Mikrofilme und -fiches aus Paris und London Grundlage für die Übertragung von Quellenbeständen gewesen, und hatten damit Abschriften abgelöst. Außerdem erleichterte jede Form von Kopie den Erhalt der Originale. Nun kamen elektronische Formate auf. 1997 eröffnete das Archiv das Gatineau Preservation Centre, wo fragile Dokumente aller Ausgangsmaterialien aufbewahrt werden. Die Digitalisierung wird ebenfalls vorangetrieben. 2005 eröffnete die Portrait Gallery of Canada, deren Basis der in Kanada bekannte Fotograf Yousuf Karsh gelegt hatte. 2002 acquirierte das Haus die Peter Winkworth Collection of documentary art, und bildete die Grundlage für eine gewaltige Sammlung bildlicher Dokumente aus der Zeit vor der Fotografie. 2004 wurden Nationalbibliothek und Nationalarchiv zusammengelegt, womit Library and Archives Canada bzw. Bibliothèque et Archives Canada entstanden

Das Nationalarchiv unterhält Dépendancen in Vancouver und Winnipeg, das Archives nationales du Québec hat 8 Regionalbüros in der Provinz. Große Archivprogramme wurden in Toronto, Winnipeg, Montreal, Regina, Saskatoon, Québec, Vancouver, Edmonton, Calgary und Ottawa aufgelegt. Die meisten Universitäten haben eigene Archive, dazu kommen einige Forschungssammlungen. Volks- bzw. völkerkundliche Sammlungen (Folklore genannt) bestehen an den Universitäten Memorial, Laval und Laurentian; Literatursammlungen in Queen's, McMaster und Calgary; Regionalsammlungen an der Université de Moncton, Queen's, Western Ontario, Manitoba, Brandon und der University of British Columbia. Darüber hinaus sind Archive der Kirchen, Banken und Versicherungen sowie der Ölgesellschaften entstanden. Auch Museen, historische Gesellschaften und Bibliotheken bieten inzwischen Archivdienstleistungen.

Auch die Provinzarchive spielen - vor allem in ihrer Summe betrachtet - eine ähnlich bedeutende Rolle. Folgerichtig eröffnete Neuschottland 1931 ein Hauptarchiv, Ontario hatte ein zentrales Archiv 1903 eingerichtet. 1920 entstand das Nationalarchiv von Québec, damals noch unter dem Namen Bureau des archives du Québec. In British Columbia entstand eine ähnliche Institution 1908, doch blieb diese Tätigkeit in den anderen Provinzen eher rudimentär. Doch im Laufe der 20er und 30er Jahre erzwang allein die Masse an Rechts- und Verwaltungsdokumenten allein der Regierungen die Inangriffnahme entsprechender Projekte. Dabei lieferte die Gesetzgebung von Saskatchewan in den Jahren 1945 und 1955 das Vorbild. Ontario lieferte wiederum 1965 bis 1975 das Vorbild für ein effizientes Managementsystem. 1968 besaßen schließlich alle Provinzen eigene Archive. Entsprechende Gesetze folgten in Neubraunschweig 1977, Québec und Neufundland 1983 sowie Manitoba 2001. Nur British Columbia hat kein eigenes Archivgesetz. 1972 entstand ein Archiv im Yukon, 1979 in den Nordwest-Territorien, schließlich in Nunavut.

Hatten sich zunächst die Aufgaben von der Aufbewahrung administrativer Akte im weitesten Sinne auf historische Forschung im wissenschaftlichen Sinne verlagert, so nutzen inzwischen wachsende Besucherzahlen aus ganz anderen Bereichen die Archive. Untersuchungen zur Genealogie, zur Lokalgeschichte, für Radio und Fernsehen, ziehen Privatnutzer, Schulen, Journalisten, in die Häuser. Sie werden inzwischen von Freiwilligen und eigenen Abteilungen entsprechend ihren Bedürfnissen versorgt. Um die Koordination und Zusammenarbeit zu verbessern entstand 1985 das Canadian Archival Information Network (CAIN).

Die Professionalisierung erfolgte bei den Archivaren relativ spät. In der Canadian Historical Association entstand 1956 eine Archivsektion. Ausbildungskurse fanden an der Carleton University statt und mit dem The Canadian Archivist entstand eine Fachzeitschrift. 1967 entstand die Association des archivistes du Québec, 1975 die Association of Canadian Archivists mit dem Fachblatt Archivaria. Heute werden Masterprogramme an den Universitäten von British Columbia, Manitoba, Toronto, Laval und Montréal angeboten. Hinzu kommen Diplomabschlüsse an zahlreichen Bibliotheksschulen, Universitäten und Colleges.

Archive

Literatur

Externe Links

Anmerkungen

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